Das wird mir alles nicht passieren… | Hintergrund

dwmanp_sujet_quer

Nach mehreren Projekten, in denen Biografien von in Linz lebenden Menschen im Mittelpunkt standen (2011-2013), und zuletzt der autobiografischen Erkundung eines Teils der Lebensgeschichte von theaternyx* Ko-Leiterin Claudia Seigmann in »eine einfache geschichte« (2015), basiert dieser Abend auf einer literarischen Vorlage.

Marlene Streeruwitz’ äußerst präzise erfundene Geschichten erschienen 2011 in dem Band »Das wird mir alles nicht passieren… Wie bleibe ich FeministIn«. Vier von den elf „Kleinstromanen“ kommen im neuen Projekt von theaternyx* nun zur Uraufführung. Die österreichische Autorin schildert darin mit unbestechlichem Blick Menschen – Männer und Frauen – die ihre jeweils sehr unterschiedlichen Lebenssituationen reflektieren. Die Figuren sind verstrickt und durch systemische und Sachzwänge gebunden, können sich aber vielleicht doch für mehr Autonomie entscheiden.

*

Streeruwitz’ Geschichten treffen auf eine soziale Situation, die es ermöglicht, sie in Ruhe zu hören und sich zu ihnen in Beziehung zu setzen: Publikum und PerformerInnen nehmen an einer langen Tafel Platz. Alle sitzen in der ersten Reihe; eine Geschichte ergibt die andere, das Erzählen wird vom Trinken begleitet und vom Essen unterbrochen, um den Geschichten nachzuhören, eigene Gedanken zu fassen und sich mit den TischnachbarInnen zu unterhalten. Ein wenig Alkohol hebt die Stimmung und schärft die Sinne.

Die Geschichten stellen Fragen danach, wie wir heute leben und wie wir uns behandeln lassen wollen. Das Reden darüber hebt ein wenig die Vereinzelung auf: Wir ahnen, dass alle Gäste der Tischgesellschaft solche Geschichten kennen, selbst erlebt haben und erzählen könnten. Wenn wir Glück haben, hören wir noch ein paar dieser Episoden nach dem Ende der eigentlichen Inszenierung, nach dem Digestif. Es steht die Einladung im Raum, noch ein wenig zu bleiben.

*

Sowohl die Figuren in den Geschichten, als auch die ErzählerInnen sind beiderlei Geschlechts: die Notwendigkeit der Emanzipation besteht nicht nur für Frauen. Dabei schlüpfen die PerformerInnen nicht in Rollen, sondern berichten von anderen; überlagern sich für Momente mit ihnen. So werden fiktive Biografien lebendig vergegenwärtigt ohne den kürzesten Weg der Identifizierung über gespielte Figuren. Wie bei früheren Arbeiten von theaternyx* geht es nicht um das große Theater, sondern um den unspektakulären Blick auf prekäre menschliche Leben.

Marlene Streeruwitz

Geboren in Baden bei Wien (Niederösterreich). Studium der Slavistik und Kunstgeschichte. Freie Texterin und Journalistin. Freiberufliche Autorin und Regisseurin. Literarische Veröffentlichungen ab 1986. Lebt in Wien, London und New York.

marlenestreeruwitz.at

Marlene Streeruwitz (Foto © Marija Kanizaj)

Marlene Streeruwitz (Foto © Marija Kanizaj)